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Kapitel 4

Jessica Mor-Camenzind

SWISS4LEBANON (ehemals Swiss4Syria) wurde 2013 in Zürich gegründet, mit dem Ziel, syrische Flüchtlinge im Libanon zu unterstützen. Jessica Mor-Camenzind ist eine der Gründerinnen. Zwei Jahre nach Ausbruch des Bürgerkrieges in Syrien wollten sie und ihre beiden Partner:innen nicht mehr tatenlos zuschauen und riefen auf Facebook zu einer Kleiderspende auf, um Flüchtlinge zu unterstützen. Der spontane Aufruf führte zu 40 Tonnen Spenden-Kleidern, die im südlichen Libanon in verschiedenen Flüchtlingscamps verteilt wurden. Dank der Hilfsbereitschaft der Schweizer Bevölkerung betreibt die Organisation mittlerweile neun Hilfsprojekte vor Ort.

Jessica Mor-Camenzind
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Viele Leute sagen: Eine Spende ist ein Tropfen auf den heissen Stein. Aber für die Familien vor Ort ist es ein Tsunami.

FS Parker

Jessica, in welcher Form engagiert sich Swiss4Lebanon für syrische Flüchtlinge?

Jessica

Wir haben eine Schule aufgebaut im Süden vom Libanon für 140 syrische Flüchtlingskinder. Wir haben verschiedene Programme auf die Beine gestellt. Mit Tamina4Education unterstützen wir libanesische Studentinnen und Studenten im Libanon, mithilfe von Help4Beirut bauen wir Wohnungen wieder auf, die von der Explosion im Herbst 2020 schwer zerstört wurden und mit Food4Life verteilen wir Foodpakete im Libanon an Bedürftige.

FS Parker

Die Geschichte von Swiss4Lebanon hat 2013 begonnen. Wie kam es dazu?

Jessica

Ein guter Freund von mir, der mittlerweise Präsident ist von unserem Verein, Tamr Amer, hat 2013 eine E-Mail geschickt: Die syrischen Flüchtlinge erfrieren im Libanon, habt ihr Kleider? Wir haben eine Sammlung auf die Beine gestellt und sind extrem überrannt worden. Als wir dann vor Ort geholfen haben, die Kleider zu verteilen, haben wir schnell gemerkt: Es braucht viel mehr als Kleider.

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Als man 2015 den ertrunkenen Jungen Aylan am Strand der Türkei gefunden hat, da sind wir alle aufgewacht.

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Jessica Mor-Camenzind
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Als man 2015 den ertrunkenen Jungen Aylan am Strand der Türkei gefunden hat, da sind wir alle aufgewacht.

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FS Parker

Was waren Schlüsselmomente oder Meilensteine entlang des Weges von der Idee zu der Organisation, die Swiss4Lebanon heute ist?

Jessica

Die Meilensteine hatten eigentlich immer mit den SocialMedia Posts zu tun, die die Schlüsselmomente angestossen haben. Einerseits die erste Kleidersammlung, bei der 3 Tonnen Kleider zusammengekommen sind, andererseits aber auch die Besuche vor Ort. Die Situation im Libanon hat mich sehr berührt: zu sehen wie hier syrische Flüchtlingskinder in kleinsten Zelten auf 15qm in sogenannten "inofficial settlements" leben. Und als man dann 2015 den ertrunkenen Jungen Aylan gefunden hat, tot am Strand in der Türkei, da sind wir alle aufgewacht. Das habe ich gepostet und über diesen Post kam das ZDF in Deutschland auf mich zu. Später folgten dann andere Medien wie NZZ und Blick. Und dadurch sind dann auch Stiftungen auf uns zugekommen.

FS Parker

Nächstes Jahr feiert ihr das zehnjährige Jubiläum der Organisation. Auf welche positiven Einflüsse seid ihr besonders stolz?

Jessica

Wir haben sehr viel erreicht und sind auch stolz, dass wir das dank der Spenderinnen und Spender geschafft haben, aber es ist noch lange nicht abgeschlossen. Wir haben immer wieder Ideen, aber das Wichtigste, finde ich, dass die Schule für die nächsten paar Jahre gesichert ist. Die Schule wollen wir vergrössern: Wir brauchen mehr Raum; es gibt so viele Kinder, die Bedarf an Bildung haben. Und was mich persönlich beeindruckt hat: Die Kinder haben nichts, aber geben alles. Sie sind mit nichts in unsere Schule gekommen und gehen, abgesehen von der Alphabetisierung und der Mathematik, mit einem Koffer voller Disziplin; sie gehen mit Stolz und sie gehen mit einer Zuversicht. Wir haben sehr viele Samen gesät, und die werden jetzt blühen.

FS Parker

Kannst du uns eine Geschichte erzählen, die euren Einfluss zeigt?

Jessica

Als Ghazala, ein kleines Mädchen aus Syrien, zu uns in die Schule kam, hat sie nicht geredet. Sie hat nicht hören können und sie hat auch nicht gelächelt. Sie sass nur in sich versunken in der Ecke. Und als ich sie jetzt im Februar gesehen habe, hat sie geredet, sie versteht uns, sie lacht, ihre Augen strahlen. Wir legen ein grosses Augenmerk auf ihr Schicksal, denn wir wollen ihr viel mitgeben. Viel Selbstvertrauen hat sie durch das Hörgerät, durch die Therapie und unsere Schule gewonnen.

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Wenn man in den Camps ist, ist das wirklich heavy. Aber in dem Moment transformiere ich das und überlege, wo wir was machen können.

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Jessica Mor-Camenzind
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Wenn man in den Camps ist, ist das wirklich heavy. Aber in dem Moment transformiere ich das und überlege, wo wir was machen können.

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Wer ist Jessica und wieso haben wir sie ausgewählt?

Jessica Mor-Camenzind ist in Zürich aufgewachen als Tocher einer libanesischen Mutter und eines Schweizer Vaters. Die Mutter zweier Söhne studierte an der Hotelfachschule in Luzern. Heute führt sie verschiedene Unternehmen u.a. das Mezze à gogo, welches libanesische Kochkurse anbietet. Sie lancierte den Immobilien-Newsletter wohnungsnews.ch und ist Autorin diverser Magazine. Als Mitbegründerin der gemeinnützigen Organisation SWISS4Lebanon reist sie mehrmals im Jahr in den Libanon und ist im ständigen Kontakt mit den NGO-Partnern vor Ort.

Jessica und ihre Mission inspirieren mich sehr. Wie sie die Solidarität der Bevölkerung zur Unterstützung der syrischen Flüchtlinge weckt und sich für Menschen in armen Ländern einsetzt, ist einfach nur beeindruckend. Jeder kann helfen, denn jede Hilfe zählt.
Selina Dermon
Key Account Director & Events Specialist
Ich finde Jessicas Arbeit wirklich beeindruckend. Was mit einer E-Mail eines Freundes begann, entwickelte sich zum Bau eines Gemeindezentrums, von Schulen, Häusern und Programmen. Es zeigt, wie eine kleine Geste Leben verändern kann.
Simon Clement
Art Director
Die Geschichte von Ghazala ist sehr berührend. Jessicas Engagement zeigt, dass man jede Idee umsetzen kann, wenn man den Willen dazu hat. Nicht wegsehen, handeln!
Adelina Ozymok
Junior Graphic Designer
Kapitel 4