Lara Dickenmann ist einer der bekanntesten weiblichen Fussballstars der Welt und eine Vorreiterin im Frauenfussball – einem Sport, der lange von Männern dominiert wurde. Sie ist ein Vorbild für Mädchen im Sport und Mädchen allgemein. Und: Die ehemalige Schweizer Profifussballerin ist auch ein Vorbild für alle Menschen, die konsequent an ihrem Traum arbeiten, auch wenn es tagtäglich Gegenwind gibt. Heute baut Lara Dickenmann als General Managerin mit dem GC Frauenfussball einen Verein auf Weltspitzenniveau auf.
"Be your best you": Du selbst sein. Und den Anspruch haben, jeden Tag ein bisschen besser zu werden.
Was war das schönste Highlight deiner bisherigen Karriere?
Es ist schwierig, sich auf ein Highlight bei einer so langen Zeit zu beschränken. Einen Moment, den ich in schöner Erinnerung habe, ist der erste Champions-Leaque-Sieg. In dem Spiel habe ich auch das Goal zum 2:0 schiessen dürfen und das hat dann den Sieg besiegelt. Bis zu dem Moment war das mein grösster Traum in meinem Leben: Champions Leaque zu spielen – aber dann auch Champions Leaque zu gewinnen. Das war eine Art Belohnung für all die Stunden auf dem Fussballplatz, für die Momente in einer Fussballkarriere, in denen man nicht so gerne trainiert, in denen es hart ist.
Und der zweite schöne Moment war mit der Nati, als wir uns für die WM 2015 in Kanada qualifiziert haben. Wir haben als Gruppe so lange daran gearbeitet, dass wir es das erste Mal in die Endrunde schaffen. Das erste Mal mit der A-Nationalmannschaft. Wir sind in der Zeit extrem zusammengewachsen. Darum hat es uns auch noch viel mehr bedeutet. Und das ist für den Schweizer Frauenfussball ein sehr wichtiger Meilenstein gewesen.
Als junges Mädchen warst du eine Exotin im Fussballstadion. Du hast dich selbst aber so nicht empfunden. Was hat dir von Anfang an an dem Sport so gefallen?
Ich habe zunächst noch Schwimmen und Ballett gemacht, weil man als Kind Verschiedenes ausprobiert. Am Fussball hat mir immer gefallen, mit dem Ball am Fuss über den Rasen zu rennen. Mir hat auch gefallen, in der Schule bei den Jungs mitzureden. Die haben den ganzen Tag über Fussball geredet und ich wollte unbedingt dabei sein. Und ab dem Moment, als ich dann auch Fussball gespielt habe, konnte ich das.
Der mentale Aspekt ist das A und O: Jeder kann einen Pass schlagen, alle auf dem Niveau bringen ähnlich viel mit. Schlussendlich wird 80 bis 90 % im Kopf entschieden.
Der mentale Aspekt ist das A und O: Jeder kann einen Pass schlagen, alle auf dem Niveau bringen ähnlich viel mit. Schlussendlich wird 80 bis 90 % im Kopf entschieden.
Mit 18 ging es dann mit einem Stipendium nach Amerika. Was war eine der wichtigsten Lektionen für dich, die du damals in Amerika gelernt hast?
Ich bin aus einem behüteten Umfeld in die grosse Welt gegangen, wobei man an einer amerikanischen Universität als Athletin gut begleitet wird. Du hast jemanden, der sich um deine schulischen Angelegenheiten und Leistungen kümmert, viele Trainer, die auf dich aufpassen und schauen, dass es dir gut geht. Du hast einen strukturierten Tagesablauf. Das hat mir sicher geholfen. Aber etwas vom Wichtigsten, was ich dort gelernt habe, ist die amerikanische Mentalität im Sport, wenn du jeden Tag versuchst, deine Grenze nach hinten zu verschieben. In Amerika habe ich gelernt, dass viel mehr möglich ist, als man denkt, vor allem im körperlichen Bereich. Jeden Tag habe ich von Neuem gehört: Du musst heute noch besser sein als gestern. Du musst dich mit den Besten messen. Ich habe gedacht: Warum soll ich mich als kleine Schweizerin mit den Besten in Amerika messen? Aber wenn man das jeden Tag hört, wenn man den Traum vom Profifussball hat, davon, einmal mit den Besten zu spielen, irgendwann habe ich das dann verinnerlicht.
Hat dich das sehr unter Druck gesetzt? Oder war es für dich eher ein Ansporn zu sagen: «Wenn die glauben, ich als Schweizerin kann mich mit der besten Amerikanerin messen, dann hat das einen Grund»?
Ein bisschen beides, glaube ich. Druck ist ja immer da im Leistungssport. Und: Ich bin auch ein Stück weit mit dem Druck aufgewachsen. Mein Papi war auch streng mit mir, weil er einfach das Leistungspotenzial in mir als Spielerin gesehen hat. Aber es ist sicher auch ein Ansporn gewesen, wenn du siehst, dass du dich verbessern kannst. Ich bin dann in die amerikanische College-Liga gekommen und habe gemerkt: Hey, ich bin eine von den besten Spielerinnen – auch da. Das ist eine unglaubliche Erfahrung gewesen für mich. Zu wissen: Ich bin eine, die Tore schiessen kann, die das Spiel bestimmen kann. Das war ein extremer Ansporn für mich. Ein wichtiger Schritt für mich mental: Ich gehöre dazu.
Und in Frankreich warst du dann Profi…
Am Anfang war es dort schwierig für mich. Das erste was neu für mich war, war selbst seinen Tagesablauf zu strukturieren. Und dann waren da sehr viele gute Spielerinnen: französische Nati-Spielerinnen, aber auch Nati-Spielerinnen aus der ganzen Welt. Ich bin in ein Starensemble hineingekommen – da musste ich erst mal meine Rolle im Team finden. Sie haben mich von Anfang an respektiert, aber ich bin auch als Schweizer Nati-Captain dorthin gegangen. Es ist immer ein Prozess, eine neue Kultur. Es ist ein neues Umfeld gewesen, in dem es auch viel mehr Egos gab als in Amerika. Fehler habe ich immer bei mir selbst gesucht. Und das hat mir schlussendlich geholfen, mich durchzusetzen, mir die Zeit auch zu geben, mich täglich zu verbessern, nur auf mich zu schauen und keine Energie zu verlieren mit meinem Umfeld.
In Deutschland bin ich das erste Mal als gestandene Fussballspielerin von einem Verein angefragt worden. Ich bin mit ganz anderen Voraussetzungen gewechselt. Wenn du von Lyon zu Wolfsburg gehst, gehst du von einem der besten Vereine zum anderen. Die deutsche Mentalität ist wieder anders gewesen als die französische. Da stand mehr das Wir-Gefühl im Zentrum. Und die Mentalität in jedem Training war: einfach Vollgas geben, egal ob das jetzt Sinn macht oder nicht. Die DNA «Arbeit, Fussball, Leidenschaft» haben wir in den sechs Jahren, die ich dort gespielt habe, jeden Tag auf den Platz gebracht. Und das hat mir extrem gefallen.
Du hast vorhin erwähnt, dass du Fehler oft bei dir selbst gesucht hast. Das ist sicher die grosse Kunst: einerseits sich zu verbessern, andererseits sich nicht fertig zu machen dabei, sondern sich aufzubauen. Ist es das, was du von Anfang an in der richtigen Balance gehabt hast?
Ich bin immer kritisch mit mir selbst gewesen, habe versucht, mich mit jedem Training zu verbessern. Aber ich bin positiv mit mir selbst umgegangen. Ich habe immer daran geglaubt, dass es funktioniert, dass ich es selbst in der Hand habe, eine bessere Leistung zu bringen. Mentaltrainer haben mich begleitet in der Karriere.
Und das ist auch am Anfang in Amerika wichtig gewesen: der Austausch. Der Sportpsychologe meinte, man müsse bei mir im Kopf einen Knopf lösen, damit ich ein Tor schiesse. In einem Gespräch hat er mich nach der Schweiz und meiner Familie gefragt. So habe ich mich wohler gefühlt und das Gefühl bekommen: Ich bin wichtig für die Mannschaft. In Frankreich habe ich mich dann auf Sophrologie eingelassen, Atemtechniken bei denen man Dinge visualisiert. Es ging darum, sich 90 Minuten aufs Fussballspielen zu konzentrieren.
Dann gab es den Übergang, wo du von der Spielerin zur Managerin von GC Frauenfussball wurdest. Wie fühlt sich das an?
Sich wirklich auf den Moment vorzubereiten, ist für mich nicht zu 100 Prozent möglich gewesen. Es hat mich lange beschäftigt und ich habe mich, bevor ich aufgehört habe zu shooten, schon in den neuen Job als General Managerin beim GC voll reingehängt.
Ich glaube, dass es wichtig ist, dass ehemalige Profi-Spielerinnen wie ich dem Fussball erhalten bleiben. Denn wir sind Botschafterinnen – bei den Sponsoren, in den Medien, beim Verband und in den Vereinen. Botschafterinnen, die aufzeigen, was Positives dabei herauskommt, wenn man in Frauen im Fussball und in den Frauenfussball investiert.
Nun wird die Boldness und das Selbstbewusstsein von GC Frauenfussball mit einem Red Dot Award für Brand Design ausgezeichnet. Bist du stolz darauf?
Für mich ist das ein Zeichen gewesen, dass es auch in der Schweiz möglich ist, etwas Cooles, auf die Beine zu stellen, besser als der Männerfussball zu sein. Das hat gezeigt: Wir können grösser denken. Es hat geholfen, den Frauenfussball zu präsentieren, wie er ist: stolze Frauen und ein starkes Frauenbild. Und einen starken Brand. Und trotzdem ist es nur der Anfang gewesen. Da kommt hoffentlich noch viel mehr.
Eine Spielerin zum GC zu holen, ist eine grosse Verantwortung: Das Versprechen zu erfüllen, sie weiterzuentwickeln –
als Fussballerin, aber auch als Mensch. Gut auf sie zu schauen, dass sie sich wohl fühlt.
Eine Spielerin zum GC zu holen, ist eine grosse Verantwortung: Das Versprechen zu erfüllen, sie weiterzuentwickeln –
als Fussballerin, aber auch als Mensch. Gut auf sie zu schauen, dass sie sich wohl fühlt.
Lara Dickenmann ist die Schweizer Vorreiterin im Frauenfussball. Aufgewachsen in der kleinen Stadt Kriens bei Luzern in der Schweiz, ging sie nach dem Schulabschluss zunächst in die USA, dann nach Frankreich und schliesslich brachte ein wichtiger Karriereschritt sie nach Deutschland. Heute baut Lara Dickenmann als General Managerin mit dem GC Frauenfussball einen Verein auf Weltspitzenniveau auf.