Korallenriffe sind die artenreichsten Ökosysteme der Welt. Der Verlust dieser Systeme ist eine globale Katastrophe. 2020 wurde das Schweizer ETH Spin-off rrreefs gegründet, welches zerstörte Korallenriffe wieder aufbaut, mithilfe von 3D-gedruckten Tonelementen. rrreefs steht für rethinking, rebuilding and regenerating coral reefs. Die Initiative wurde von drei jungen Frauen ins Leben gerufen, einer Künstlerin und zwei Wissenschaftlerinnen. Dadurch wird der wissenschaftliche Anspruch mit einem künstlerischen Aspekt verbunden. Wir haben mit einer der Gründerinnen gesprochen, der Meeresbiologin und Forschungstaucherin Hanna Kuhfuss.
Das Korallenriff ist ein Schlüsselökosystem im Gesamtökosystem Ozean. Und wenn wir keinen funktionierenden Ozean haben, dann wird es wirklich ungemütlich für uns auf dieser Erde.
Korallenriffe sind wichtig für uns Menschen. Warum ist das so?
Korallenriffe haben sehr viele wertvolle Ökosystem-Funktionen. Viele Küstenstaaten hängen nahrungstechnisch von Riffen ab. Die grösste Proteinquelle, die sie haben, sind Fische und anderes Seafood aus den Riffen. Natürlich ist auch ein grosses wirtschaftliches Potenzial dahinter, der Tauch- und Schnorcheltourismus, aber auch der Badetourismus, denn der weisse Sand der Stände wird im Riff produziert. Dann wird die Küste geschützt durch Korallenriffe – sie übernehmen die wichtige Funktion der Wellenbrecher, indem sie über 90% der Wellenenergie, die auf eine Küste zurollt, aufnehmen. Und sie sind unglaublich intelligent: entstandene Schäden am Riff können repariert werden, vorausgesetzt, dass die Wasserqualität und -temperatur gut ist und ausreichend Licht vorhanden ist.
Was man oft vergisst: Chemikalien für viele wichtige Medikamente gegen Aids, Krebs und starke Schmerzmedikamente stammen aus Korallenriffen. Aber auch Markerstoffe, mit denen man Zellen unter dem Mikroskop einfärben kann und die unsere Zellbiologie und die Medizinforschung und -technik revolutioniert haben, stammen aus Quallen und Riffen.
Wie bietet ihr dem Korallensterben Einhalt?
Unsere Aufgabe ist es, Korallen und all dem Leben das von ihnen abhängt, einen Lebensraum zurückzugeben. Korallen sind Tiere, die sich ihr eigenes Skelett aus Kalkstein herstellen und dadurch Riffe aufbauen. Und diese Tiere sterben momentan überall auf der Welt.
Wenn die Korallen tot sind, wird ihr Kalkskelett durch andere, schädliche Algen, Pilze und Bakterien zerfressen. Das Ganze bricht zusammen und es entstehen Rubble Fields auf dem Meeresgrund, auch Killing Fields genannt, auf denen es für Korallen und andere Rifftiere sehr schwer ist, wieder Fuss zu fassen. Denn: Wenn eine Korallenlarve sich dort ansetzt, können Wellenbewegungen diese Kalkskelette wenden und die Korallenlarven so ersticken. Es ist unheimlich schwierig für ein Korallenriff, wenn es erst mal in diesem Zustand ist, sich von alleine zu regenerieren. Deswegen bauen wir ihnen eine feste Struktur, die ein Substrat bietet, das Korallen mögen, wo sie gerne drauf wachsen – Ton ist da sehr gut geeignet. Wir arbeiten mit der Mikro-und Makrooberfläche dieser Struktur, schauen uns die Interaktion zwischen der Wasserströmung und dem Riff an. Wir versuchen, unsere Riff-Elemente so zu designen, dass Korallenlarven aus der Wassersäule mit der Strömung an die Struktur heran transportiert werden, an Stellen, wo sie sich ansetzen können und geschützt sind. Das ist der erste Punkt: einen Raum für Babykorallen um das Riff neu aufbauen. Punkt zwei ist: Wir bauen mit unserem Riffsystem die Höhlen und Verstecke für Fische und andere wichtige Rifftiere wieder auf, die zuvor kaputt gegangen sind. Dadurch können diese Tiere sich weiter vermehren und das Ökosystem stabilisieren. Mit diesen Massnahmen können wir den Korallenriffen mehr Zeit geben, um zu überleben. Letztlich müssen wir aber unbedingt, und so schnell wir können, die Erderwärmung stoppen. Für einen gesunden Ozean - und für uns selbst.
Wir haben insgesamt nur noch 20% intakte Korallenriffe. Alle anderen sind gefährdet, stark gefährdet oder schon verloren.
Wir haben insgesamt nur noch 20% intakte Korallenriffe. Alle anderen sind gefährdet, stark gefährdet oder schon verloren.
Wie erfolgreich ist euer Pilotprojekt?
Wir haben im September letzten Jahres das erste grössere Pilotriff ins Wasser gestellt, in San Andrés Island in der kolumbianischen Karibik. Das Riff ist so gross wie ein kleiner Transporter. Wir sind sehr happy, weil es so gut funktioniert. Wir haben nach drei Monaten das erste Fischmonitoring gemacht, die Artenvielfalt an Fischen gezählt versus der des natürlichen Riffes, und es existiert zwischen beiden nur noch ein minimaler Unterschied. Wir haben super viel Jungfisch im Riff. Und Schlüsselorganismen wie Papageienfische, die sehr wichtig fürs Riff sind und es in Balance halten.
Und vor einer Woche haben wir unseren grössten Erfolg gefeiert. Wir haben Bilder von unseren lokalen Partnern vor Ort bekommen, die das Riff beobachten, und diese zeigen: Wir haben die ersten Babykorallen im Riff. Das heisst es haben sich Larven angesetzt.
Vor kurzem habt ihr die Auszeichnung «Planet Hero» von der Zürich Versicherung erhalten. Damit verbunden ist natürlich auch die mediale Presse. Was bedeutet das für das Projekt und für euch persönlich?
Die Auszeichnung ist unglaublich wertvoll, für das Projekt und für uns persönlich auch. Es ist ein grosser Motivationsschub. Und mit dem Preis war nicht nur sehr viel Wertschätzung verbunden. Es wurde ein Film produziert, der uns viel Medienpräsenz gebracht hat. Die Versicherung hat das Halbjahresmonitoring finanziert und jemand von der Zürich Versicherung sitzt in unserem Advisory Board, worüber wir sehr dankbar sind. Und wir können dank der Zürich an der «Reef Futures» teilnehmen, einer der grossen Korallenkonferenzen.
Was sind die grössten Hindernisse auf dem Weg zu eurer Vision?
Das ist tatsächlich das Funding – das Funding und die Grösse unseres Teams. Wir haben viel Arbeit und viele Anfragen. Wir bräuchten eine Person, die sich nur um das Funding kümmert, sich auf Projektgelder bewirbt und Preisgelder, sich mit Investoren auseinandersetzt. Aber wir sind noch nicht so aufgestellt, dass wir ein normales Gehalt bieten können.
Wissenschaftlich werden wir super gut unterstützt. Wir sind mittlerweile auch gut vernetzt. Und erfahren vor allem auch lokal vor Ort, wo wir die Riffe aufbauen, viel Unterstützung.
Unsere Vision ist, in 5 bis 10 Jahren wirklich gross zu denken und Kilometer von Küsten durch ein Riffsystem zu schützen.
Unsere Vision ist, in 5 bis 10 Jahren wirklich gross zu denken und Kilometer von Küsten durch ein Riffsystem zu schützen.
Hanna Kuhfuss ist Meeresbiologin und Forschungstaucherin und hat für verschiedene grüne und soziale Start-ups und NGOs im Bereich des Ökosystemschutzes und der angewandten Meereswissenschaften gearbeitet. Als Forschungstaucherin mit mehr als acht Jahren Erfahrung in der Erhaltung und Wiederherstellung von Ökosystemen leitet Hanna die Feldeinsätze von rrreefs. Sie ist für die Sicherheit unter Wasser und die wissenschaftlichen Feld- und Laborexperimente von rrreefs verantwortlich.
